TheBigRecord:UK – Den Klang des Vereinigten Königreichs auf zwei Rädern einfangen!
Wir bei EuroVelo sind beeindruckt und begeistert, wie Paul Cheese mit seinem originellen Ansatz das Radfahren mit kreativen Projekten verbindet und die Natur und den Alltag auf dem Land als Quelle neuer Klänge und musikalischer Inspiration nutzt. Beim Reisen durch die Welt geht es nicht nur um optische Erfahrungen - auch Klänge können Erfahrungen prägen. Um mehr über seine außergewöhnliche Reise und seine zukünftigen musikalischen Radfahrprojekte zu erfahren, haben wir Paul ein paar Fragen gestellt!
Kannst Du uns mehr über Dein Fahrradprojekt 2019, TheBigRecord:UK, erzählen?
Ich war schon immer vom Klang fasziniert, und das Tolle daran, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, ist, dass ich die Möglichkeit habe, zuzuhören. Eine Gelegenheit, mich auf meine Umgebung einzustimmen und mir einen Moment Zeit zu nehmen, um kreativ über Klang nachzudenken. Das Radfahren erlaubt es meinem Gehirn, umherzuwandern und die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Es gibt mir einen "Urlaub im Gehirn", der die kreativen Gedanken in Gang bringt.
Nachdem ich also in vielen verschiedenen Ländern Klänge erforscht hatte, kam ich zum Nachdenken. Hören sich bestimmte Regionen unterschiedlich an? Haben Orte einen gemeinsamen Rhythmus und eine gemeinsame Resonanz? In welcher Art von Lied werden Klänge, die aus ganz Großbritannien gesammelt werden, resultieren?
Wie fing es an und was war Dein Plan?
Meine Mission war es, mit dem Fahrrad in jede Region Großbritanniens zu fahren und den Klang von Menschen und Orten einzufangen. Aus diesen Klängen wollte ich dann ein Musikstück schaffen. Ich wollte auch großartig klingende Orte kennen lernen, an denen ich den Klang einfangen konnte. Lokales Wissen war der Schlüssel zu diesem Projekt, und mit Menschen über Radfahren und Klang zu sprechen, war absolut brillant. Ich radelte von Folkestone in Kent den ganzen Weg von England durch Wales, dann hinüber nach Nordirland und schließlich nach Schottland. Von der Nordküste radelte ich im Zickzack von Ost nach West quer durch das Vereinigte Königreich, umrundete London und endete beim BBC-Sendezentrum in der Londoner Innenstadt.
Welche EuroVelo-Route(n) hast Du während dieser Reise genutzt?
Wenn ich auf dem europäischen Festland mit dem Fahrrad unterwegs bin, strebe ich immer EuroVelo-Routen an. Ich kann immer garantieren, dass ich an mir unbekannten Orten vorbeikomme, und oft sind dies die Momente einer Reise, die hängen bleiben! Während TheBigRecord:UK folgte ich der EuroVelo 1 – Atlantic Coast Route durch Nordirland und durch Schottland, um dann auf die EuroVelo 12 – Nordseeküsten-Route durch die High Lands zu wechseln. In Richtung Süden benutzte ich das außergewöhnlich gute nationale Radwegenetz von Sustrans, welches ebenfalls zu bzw. durch erstaunliche Orte führt. Hier und da folgte ich auch Abschnitten von EuroVelo 2 – Hauptstadt-Route und EuroVelo 5 – Via Romea Francigena.
Wie ist Deiner Meinung nach das Radfahren mit dem Musikschaffen verbunden?
Neben der Freiheit, dorthin zu fahren, wohin meine Beine mich tragen können, liebe ich die körperliche und geistige Herausforderung und das Erfolgserlebnis, das ein Tag voller Radabenteuer bietet. Es ist großartig, bei meinen Erkundungen über alles nachdenken zu können, Radfahren ist eine fantastische Muse.
Das Geniale daran, auf dem Fahrrad zu sein? Man kann anhalten und zuhören. Hier ist ein Beispiel. Ich fuhr mit dem Fahrrad EuroVelo 1 – Nordseeküsten-Route in Schottland. Aah, die erstaunliche Ruhe! Es war so still, dass ich dieses leise Rumpeln spüren konnte. Diese Art von Geräusch, die man fühlen kann. Man sagt, „Folg Deiner Nase!“ – ich folgte meinen Ohren, um herauszufinden, dass der tiefe Subbass aus einer Wasserpumpstation kam. Auf diese Weise sammelte ich Tausende von Tönen, einfach indem ich mir die Welt um mich herum gut anhören konnte.
Folgst Du eher einer geplanten Reiseroute oder fuhrst Du dorthin, wo der Wind Dich hinbrachte?
Innerhalb der ersten drei Tage wurde mir klar, dass es unmöglich sein würde, eine Route zu planen. Der Grund dafür war, dass die Leute, mit denen ich sprach, mir immer neue großartig klingenden Zielort für Aufnahmen vorschlugen. Fantastisch! Aber es war ein ganz anderer Weg als der, den ich ursprünglich geplant hatte. Also habe ich mit dem Planen aufgehört und mich völlig auf die Vorschläge der Leute verlassen. Das hatte zur Folge, dass ich manchmal erst um 23:30 Uhr eine Unterkunft gebucht hatte. Und die meiste Zeit hatte ich keine Ahnung, wo es hingehen wird!
Was hast Du auf diesen 8.000 km auf Deinem Fahrrad mitgenommen?
Alles, was ich brauchte, plus ein Ersatz für alles. Ich hatte etwa 45 kg an Aufnahmeequipment und anderen Dingen zusätzlich zu den üblichen Fahrradutensilien: Mikrofone, Kamerastativ, Laptop, Gitarre und einen Anzug (wenn ich an einem neuen Ort auftauche, möchte ich auch gut aussehen können).
Du musst viele Städte und Dörfer durchquert und mit Hunderten von Menschen gesprochen haben. Gibt es inmitten all dieser Erfahrungen einen Moment, der besonders in Erinnerung bleibt, und warum?
Oft war ich bis zu 16 Stunden am Tag unterwegs, mit dem Fahrrad und mit Aufnahmen. Aber das bedeutete, dass ich an manchen Tagen irgendwo ankam, wo alles schon geschlossen war, was die Suche nach Essen ziemlich schwierig machte. In diesem Zusammenhang gibt es einen Moment, in dem ich mich am Ende eines langen Tages euphorisch, emotional und glücklich fühlte.
Ich war in Wales mit dem Fahrrad unterwegs und wohnte über einem Pub. Es war ein langer, hügeliger Tag gewesen, und ich hatte alle meine Vorräte aufgegessen. Als ich ankam, war alles andere geschlossen, und in der Bar gab es nicht einmal Erdnüsse. Aber es waren ein paar Einheimische im Pub. Wir kamen ins Gespräch und sie sagten: "Sie sind den ganzen Tag mit dem Fahrrad gefahren, wir können Sie nicht ohne Essen gehen lassen". Also ging ein Herr nach Hause und holte mir Brot und Butter, eine Dame holte mir Eier, eine andere ging nach Hause und holte mir Würstchen, und eine Dame sagte: "Ich habe etwas Gemüse, das kannst du auch haben!" Ich fühlte mich wie in einem Film, wie erstaunlich war das! Während all meiner Fahrradabenteuer war ich von der Freundlichkeit der Leute überwältigt, und zu allem Überfluss machte die Haustür ein fantastisches Geräusch, als ich morgens den Pub verließ.
Wir wissen, dass Du bei Deiner musikalischen Fahrradreise hier nicht Halt machen wirst! Was sind Deine nächsten Projekte, und werden sie auch EuroVelo-Routen beinhalten?
Auf jeden Fall! Ich bin gerade dabei, mein drittes Album 'Just for The Record Three' zu schreiben; dieses wird auf 12 Radreisen überall auf der Welt geschrieben und aufgenommen, wobei auf jeder Reise ein Song geschrieben wird.
Für das Jahr 2021 habe ich weitere europäische Fahrrad-Audioabenteuer geplant, und diese werden definitiv EuroVelo-Routen benutzen. Wegen der Corona-Maßnahmen in verschiedenen Formen war 2020 ein Jahr, in dem ich auf das Fahrrad steigen, zuhören und meine Gegend erkunden konnte. Es ist erstaunlich, was ich um die Ecke gefunden habe: Wege und Straßen, an denen ich jeden Tag vorbeikomme, aber welche ich noch nie erkunden durfte.
Lassen Sie uns mit Paul Cheese' eigenem Zitat aus seinem Vortrag auf der EuroVelo-Konferenz 2018 schließen: “Ich nutze das Radfahren als Inspiration für mein Songschreiben. Mein Ziel ist es, Kinder und Erwachsene dazu zu bringen, der Welt anders zuzuhören. Deshalb frage ich: Was ist der Soundtrack zu Ihrem Abenteuer?“
Mehr über Paul Cheese' letztes Fahrrad- und Musikprojekt können Sie auf der eigens dafür eingerichteten Website und in dem von der BBC verfassten Artikel über sein Abenteuer lesen. Paul Cheese hat auch eine persönliche Website, auf der Sie sich die anderen von ihm geschriebenen Lieder anhören können.
Fragen: Florence Grégoire